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Vorgehensempfehlung für den erstbehandelnden Arzt

Nach unserer über 25 jährigen Erfahrung als medizinische Autodydakten hat sich folgendes Vorgehen sehr gut bewährt:


♦ Legen Sie einen direkten Venenzugang mit einer Infusion (Ringer, NaCl od. Glucose) ; asservieren Sie 20ml Blut im Kühlschrank (Blut bei Verlegung dem Patienten mitgeben)

Gebissene Extremität ruhigstellen, Fixation der Schiene der sich ev. schnell ändernden Schwellung anpassen - keine auch noch so geringe Stauung der Lymphbahnen -Schiene ankleben oder mit gleichmässig ohne Zug gewickelter Bandage befestigen- plus Hochlagerung. Auch muss die Bissstelle mit einfachen Handgriffen und ohne Verrenkung der betroffenen Extremität zum Anschauen freigelegt werden können! Die Schiene muss nicht so steif wie bei einem Bruch sein, d.h. eine massive Gipsschiene die im Querschnitt gesehen mehr als eine U- Form hat und weit über die benachbarten Gelenke gezogen wird ist übertrieben oder birgt sogar eine gewisse Dekubitusgefahr in sich; Fingerringe und Uhren, Armreife etc. ausziehen.


Falls der Patient einen Lympfkompressionsverband trägt, ist zuerst die arterielle und venöse Durchblutung der Extremität zu überprüfen. Ein bereits angelegter Stauungsverband darf nicht entfernt werden, bevor nicht die Voraussetzungen für die Behandlung von Komplikationen gegeben sind (direkter Venenzugang). Sind diese Bedingungen nicht innerhalb angemessener Zeit erfüllbar, muss das Risiko systemischer Gifteffekte, die nach Lösen eines Stauungsverbandes eintreten können, gegenüber dem Risiko zunehmender lokaler Gewebsschädigung durch verbleiben des Verbands abgewogen werden.

  • Konsultieren Sie die beiliegende Checklist für den Arzt
  • richtiges Antivenin als Notbremse in genügender Menge (min. 50ml) bereitstellen


keine Vergiftungssymptome bis leichte Schwellung der betroffenen Extremität:
Ziel der symtomatischen notfallmedizinischen Behandlung ist die schnelle Korrektur kritischer Parameter (Flüssigkeitsbilanz, Blutdruck, Oxygenierung usw.) und die Aufrechterhaltung vitaler Funktionen (Atmung, Herz- Kreislauf). Vielfach reagiert ein Patient schon gegenüber dem Gift allergisch und zeigt alle Symptome eines sich anbahnenden anaphylaktischen Schocks. Dies wird leicht verkannt und dann eher einer direkten Giftwirkung zugeschrieben. Da man aber gegen leichte Giftwirkungen nichts tun kann, werden dann überhaupt keine Medikamente (ausser vielleicht Diazepan) verabreicht - da aber das anaphylaktische (selten) / anaphylaktoide (häufig) Geschehen sofort angegangen werden sollte, empfehlen wir die prophylaktische Gabe der nachfolgend beschriebenen Medikamente; analog einem Einsatz bei Reaktionen auf Insektengifte. Anaphylaktische / anaphylaktoide Reaktionen, Ohnmacht, Blutdruckabfall, Oedeme im Gesicht, Hämokonzentration sind in diesen Fällen nicht primär auf die Giftwirkung zurückzuführen, sondern Reaktionen auf das Fremdeiweiss.

  • Verabreichen Sie dem Patienten ein Antihistamin i.v.
  • Verabreichen Sie dem Patienten 100 - 200mg Prednisolon i.v. (Ultracorten-H)
  • Genügend Schmerzmittel bei Bedarf (Valoron, Tramal, Mo; keine Salicylsäurederivate)


grössere Schwellung , leichte Verfärbung (blau) an der Bissstelle, bullöse Oedeme

  • weiter Antihistamin i.v.
  • weiter Prednisolon i.v. bis ca. 500mg / Tag (am ersten Tag; diese Dosis ist keine antiphlogistische Therapie)
  • Volumenersatz, osmotische- forcierte Diurese. U.E. sollte die Retention von Flüssigkeit in der Niere bei allen Bissfällen möglichst vermieden werden damit Giftmoleküle (wenigstens die Kleinmolekularen; Neurotoxine sind vielfach Kleinmolekular) und abgestorbene Gewebsfragmente (Nekrose) schnell ausgeschieden werden können. (Ziel: min. 12 Liter ausgeschiedener Urin / 24h) oder Dialyse (ohne Infusion kein Furosemid - da durch das Schlangengift verursachte Oedeme über der Bissstelle mit Furosemid nicht ausgeschwemmt werden können)
  • keine tierischen Eiweisse zum Essen (1 bis ca. 3 Tage)


keine Verschlimmerung, Ausheilung einer kleinen Nekrose, Schwellung abbauen

  • Antihistamin unbedingt bis zu völligen Ausheilung weiter verabreichen
  • Prednisolon am 2. oder 3. Tag massiv abbauen, ev. auslaufen lassen
  • ab 2 od. 3. Tag: 10ml Calciumglukonat i.v. (morgens + abends) bis zu völligen Ausheilung
  • Ruhigstellung plus Hochlagerung unbedingt weiterführen !
  • kleine nekrotische Bezirke feucht halten (nicht nass) mit feuchter Wundkompresse; sonst vor Verunreinigung schützen; mehrmals täglich für einige Minuten in Malven- oder Kamillenextrakt baden


Anaphylaktischer Schock, Patient im Koma

  • Adrenalin 0.1mg i.v fraktioniert bis Kreislauf stabil (bis 0.5mg und mehr) und oder Andere
  • Volumen füllen, NaCl, Andere


auftreten systemischer Vergiftungszeichen

  • Adrenalin s.c. oder i.m.
  • richtiges Antivenin i.v. per infusionem, keine Vortestung (s.c. oder konjunktival)
  • weitere Massnahmen nach Symptomen: Blut, Medikamente, tracheale Intubation (keine Koniotomie), etc.


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Medizinisches Vorgehen bei Giftschlangenbiss; kurze Checklist für den Arzt

Diese Liste ist eine Abschrift aus der Arbeit von J. MEIER 1995, Bemerkungen unsererseits sind in Kursivschrift geschrieben.

10.1 ANAMNESE
Möglichst viele Details über Unfallhergang (wurde gefüttert), involvierte Schlangenart (genauer lateinischer Name), frühere Bissunfälle des Patienten in Erfahrung bringen (z. B. mit persönlichem Unfallprotokoll).


10.2 STATUS
Allgemein

  • Bewusstseinszustand
  • Blutdruck
  • Puls
  • Atmung


Lokalsymptome, Schwellung

  • Schwellung
  • Blasenbildung
  • Hämorrhagische Verfärbung oder Blutung an/um Bissstelle


Allgemeinsymptome

  • Lidptosis, äussere Ophtalmoplegie
  • Sprechstörungen
  • Schluckstörungen
  • Zahnfleischbluten
  • Epistaxis
  • Hämoptysis
  • Atemdepression (Objektiv erheben)
  • Hämaturie
  • Myoglobinurie
  • Melanea


10.3 LABOR
(möglichst vor der Verabreichung von Medikamenten, aber auch keine Zeit verlieren)

  • Einfache Gerinnungstests (Blutungs- und Gerinnungszeit, Quick, Fibrinogen)
  • Blutgruppe, Thrombozyten, Leukozyten, Senkungsreaktion, Hämoglobin, eventl. weitere Gerinnungs-faktoren, FDP und Haptoglobin bei pathologischen Werten. (min. 20ml Erst-Blut asservieren)
  • Urinstatus
  • EKG
  • Blutzuckerspiegel

10.4 THERAPIE

  • Fingerringe, Armbänder und Uhren etc. ausziehen (Schwellung= keine Stauung der Lymphbahnen)
  • Farblose (!) Desinfektion der Bissstelle nach ev. Giftschnelltest zur Bestimmung der Schlangenart.
  • Anlegen einer Tropfinfusion NaCl 1000 ml (nicht überinfundieren). Auch wenn keine Vergiftungssymptome vorliegen, 12 - 24 Stunden beobachten. Bei stark hämostasestörenden Giften (Dispholidus, Echis) bis 5 Tage.
  • Tetanus-Rappel. Prophylaktische Abschirmung mit Antibiotika (beide nur wenn nötig, nicht als Erstmedikamente, dafür regelmässige Temperatur- und Blutwertüberwachung, Wundtoilette + farblose Desinfektion)
  • Lokale Schwellung: Ruhigstellung (keine Inzision, keine antiphlogistische Therapie)
  • Nekrosen: Antibiotische Abschirmung, Nekrose-Exzision nach Demarkierung, ggf. Hauttransplantate
  • Neurotoxische Vergiftung:  Intubation, künstliche Beatmung, i.v. Injektion von spezifischem Antivenin
  • Hämotoxische Vergiftung: 
    • Bei leichten labormässigen Störungen des Gerinnungssystems= Beobachtung des Patienten.
    • Bei schweren Gerinnungsstörungen, Spontanblutungen= i.v. Injektion von spezifischem Antivenin, Frischbluttransfusion, FFP, Kryopräzipitat, Thrombozyten.
  • Schock / Nierenversagen:  Schocklagerung, Volumenersatz, Dialyse.


10.5 SPEZIFISCHE ANTIVENINTHERAPIE
10.5.1 INDIKATIONEN
Bei folgenden Symptomgruppen ist eine Therapie mit spezifischem Antivenin angezeigt:

  • Hämostase-Abnormitäten, wie spontane Blutungen, ungerinnbares Blut oder verlängerte Gerinnungszeit, erhöhte FDP, Thrombocytopenie.
  • Kardiovasculäre Abnormitäten, wie Blutdruckabfall, Schock, abnormes EKG, Herzarrhytmien, Herzversagen, Lungenoedem.
  • Neurotoxische Symptome (Lidptose, Atmung).
  • Generalisierte Rhabdomyolyse.
  • Bewusstseinsstörungen.
  • Bei Patienten mit lokaler Vergiftungssymptomatik zeigen die folgenden Symptome eine systemische Vergiftung an: neutrophile Leukocytose, erhöhter Serumenzymspiegel (Kretinphosphokinase, Aminotransferasen), Urämie, Hyperkreatininämie, Oligurie, Hypoxämie, Azidose und schweres Erbrechen.


10.5.2 GRUNDSAETZE DER ANTIVENIN-THERAPIE

  • Genaue Anamnese früherer Serumbehandlungen, allergische Diathese
  • Nur spezifische, mono- oder polyvalente Antivenine verwenden, i.v. Applikation vorzugsweise über Tropfinfusion (0.9% NaCl oder 5% Glucose)
  • Initialdosis bei polyvalenten Antiveninen: 50 ml (=> 50 ml Antivenin in 500 ml Infusionslösung)
  • Ueberempfindlichkeit gegen Antivenine: Vorbehandlung mit Adrenalin 0.5 ml, 1/1000 dil. s.c., Hydrocortison 100 mg i.v. und Antihistaminikum (z.B. Chlorphenaminmaleat) 10 mg i.v. Anschliessend fraktioniert Antivenin.